Ein Rückblick auf das IT-Jahr 2020 und wie 2021 werden kann

11.01.2021 – Mindelheim

Nachdem 2019 durch eine deutliche Abschwächung der Weltkonjunktur geprägt war, begann das Jahr 2020 zunächst mit viel Schwung und Optimismus. Die Hoffnungen lagen vor allem auf einer Einigung beim Brexit und einer Entspannung der Handelskonflikte zwischen den USA, China und der Europäischen Union. Während im Jahr 2019 die schwächelnde Konjunktur auch das Wachstum des deutschen IT-Marktes stark gebremst hatte, blicken die IT-Dienstleister Anfang des Jahres 2020 aufgrund positiver Konjunkturprognosen und daraus resultierenden Nachfrageeffekten hinsichtlich einer gestiegenen Investitionsneigung ihrer Kunden in die Anschaffung neuer Software, der Modernisierung der IT-Systeme und der Umsetzung diverser Digitalisierungsprojekte sehr positiv in die Zukunft. Und dann kam Corona und der Lockdown im März 2020. Eine direkt nach dem Lockdown durchgeführte Befragung unter den führenden IT-Dienstleistern ergab, dass 90 Prozent für 2020 von Umsatzrückgängen ausgegangen sind, was vor allem mit erwarteten Projektverschiebungen sowie geringerer Nachfrage begründet wurde.
Nachdem das Wirtschaftsleben für wenige Tage stillstand, wurde den meisten Unternehmen aber sehr deutlich vor Augen geführt, dass sie in den letzten Jahren die Themen Digitalisierung, Disruption, Resilienz und VUCA-Welt eher als weiche Trendthemen und weniger als Realität bewertet und sich darauf angepasst haben. Im Folgenden werden die, auf Grundlage des Lünendonk-Research 2020, wichtigsten Themen der IT-Dienstleister des Jahres 2020 vorgestellt. Die Corona-Pandemie hat den Druck, die Digitalisierung und die eigene Transformation weiter zu forcieren, in vielen Unternehmen nochmals deutlich erhöht. Der Lockdown seit März 2020 hat vielen Unternehmen deutlich vor Augen geführt, wo sie im Wettbewerbsvergleich hinsichtlich der Digitalisierung und digitaler Geschäftsmodelle stehen. Insgesamt hat die Covid-19-Krise viele Entwicklungen massiv beschleunigt. Tatsächlich waren bereits in den letzten Jahren Themen wie Cloud, digitaler Arbeitsplatz, plattformbasierte Geschäftsmodelle oder der Aufbau digitaler Kunden-Touchpoints zwar wichtig, allerdings häufig nicht hoch genug priorisiert. Mit dem Beginn des Lockdowns und im weiteren Verlauf der Corona-Pandemie wurden diese Themen sehr plötzlich im Top-Management sehr hoch priorisiert und zu Kernanforderungen, um den Geschäftsbetrieb am Laufen zu halten.

 1.     Digitaler Vertrieb & digitales Marketing

Insbesondere die Notwendigkeit digitaler Absatzkanäle ist im Jahr 2020 in den meisten Unternehmen sehr stark in das Bewusstsein des Top-Managements gerückt und wird in den kommenden Jahren weiter steigen – unter anderem weil für viele Branchen wichtige Absatzkanäle wie Messen, Veranstaltungen und Außendienstbesuche auch nach den nun begonnenen Impfungen weiterhin stark eingeschränkt beziehungsweise teilweise zugunsten digitaler Kanäle als überflüssig erachtet werden.
Besonders für diejenigen Unternehmen, die bisher der Digitalisierung ihrer Absatzkanäle und der Positionierung ihrer Produkte und Services durch digitale Kanäle und Customer Experience nicht ausreichend strategische Bedeutung beigemessen haben, bedeutete die Corona-Krise vor allem eines: Überfällige Investitionen in die Digitalisierung der Absatz- und Marketingkanäle wurden seit Beginn des Lockdowns nachgeholt. Tatsächlich zeigte die Lünendonk-Studie „Der Markt für Digital Experience Services in Deutschland“, dass in 94 Prozent der befragten großen mittelständischen Unternehmen und Konzerne die Corona-Krise den Druck, die digitale Transformation voranzutreiben, erhöht hat.
Der Druck, neue Wettbewerbsvorteile aufzubauen und durch Innovationen gegenüber Anbietern, die bereits mit rein digitalen Angeboten erfolgreich am Markt sind, aufzuschließen, ist seit Beginn der Corona-Krise gestiegen. So ist es aus Sicht von 71 Prozent der Unternehmen seit Beginn der Covid-19-Krise strategisch relevanter, Teil der digitalen Plattformökonomie zu sein. Nun gilt es, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln und die organisatorische, kulturelle und technologische Basis zu schaffen, um plattformbasierte Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Dazu gehört der Einsatz digitaler Technologien zum Aufbau einer Digital Experience und digitaler Kunden-Touchpoints ebenso wie schnittstellenoffene und damit sehr flexible IT-Prozesse sowie die Fähigkeit, cloud-native digitale Produkte zu entwickeln.
Im Zuge des Trends hin zu plattformbasierten, digitalen Geschäftsmodellen rücken digitales Marketing und digitaler Vertrieb, aber auch die User Experience entlang der gesamten Customer Journey stärker in den Fokus. Während 62 Prozent der Studienteilnehmer eine höhere Relevanz digitaler Absatzkanäle feststellten, gewinnen digitale Marketingkanäle und content-basierte Kampagnen aus Sicht von 64 Prozent an Bedeutung.
Auswirkungen auf den IT-Dienstleistungsmarkt
Beratungs- und IT-Dienstleistungen im Umfeld von Digital-Experience-Themen haben schon in den letzten Jahren massiv für Wachstum im Markt gesorgt – es gab jedoch infolge des Booms im Onlinehandel sowie des Wegbrechens physischer Kontaktkanäle (Messen, Veranstaltungen etc.) einen deutlichen Anstieg der Nachfrage nach Digital Experience Services. Beispielsweise unmittelbar nach dem Lockdown verzeichneten Online-Shops eine sprunghaft gestiegene Nachfrage und Anbieter mussten zunächst in die Performance und Stabilität ihrer digitalen Shops investieren. Weiterhin haben viele Unternehmen die Chance ergriffen, ihre Insellösungen zu konsolidieren und unterschiedliche digitale Absatzkanäle besser zu integrieren und mit den klassischen Absatzkanälen zu verzahnen (Omnichannel). Insbesondere Digitalagenturen sowie Management- und IT-Beratungen mit Know-how in Themen wie „Customer Journey Design“, „UX-Design“, „Data Analytics/Customer Insights“, „agile Softwareentwicklung/DevOps“ und „Systemintegratation/APIs“ berichteten über eine hohe Nachfrage und ein positives Geschäftsjahr 2020.
Die Digitalisierung im Vertrieb und Marketing wird auch in den kommenden Jahren weiter im Fokus stehen – unter anderem auch, weil die Produkte (Fahrzeuge, Maschinen, Werkzeuge, Elektronikgeräte) immer digitaler und mit anderen Devices vernetzt werden. Bereits heute haben Unternehmen einen enorm hohen Bedarf an Digital- und IT-Dienstleistern, um dem Digitalisierungsdruck zu begegnen. Dabei erwarten sie vor allem eine hohe IT-Kompetenz, UX-Design-Expertise, Kenntnisse in der Entwicklung und Umsetzung von kundenzentrischen (Produkt-)Strategien sowie die Fähigkeit, digitale Produkte und Plattformen aus einer Hand und als Art Generalunternehmer zu entwickeln.

 2. Digitaler Arbeitsplatz

Selbst große Dax-Konzerne hatten in den Monaten März und April damit zu kämpfen, ihre Home-Office-Mitarbeiter an die Unternehmensinfrastruktur anzuschließen. Themen wie Endpoint Security, VPN, Collaboration Tools und Software as a Service waren plötzlich (fast) jedem Mitarbeiter geläufig. Weil die meisten Unternehmen eher schlecht auf mobiles Arbeiten vorbereitet waren – und zwar sowohl organisatorisch, kulturell als auch technologisch – berichteten IT-Dienstleister im zweiten Quartal 2020 von einer enorm hohen Nachfrage nach Services rund um den digitalen Arbeitsplatz und IT-Security. In der Folge war aus den meisten Unternehmen zu hören, dass sich die Prozesse in großen Teilen eingespielt und vor dem Lockdown begonnene Projekte wieder aufgenommen werden konnten, was im dritten Quartal wieder zu einer „Normalisierung“ im Wirtschaftsleben und einem Konjunkturanstieg, zumindest gegenüber dem Vorquartal, führte. Gleichzeitig stellt sich die Immobilienbranche bereits darauf ein, dass ein Teil der Mitarbeiter nicht mehr aus dem Home Office in die Büros zurückkehren wird – entweder weil die verteilte Zusammenarbeit gut funktioniert und Familie, Freizeit und Beruf besser miteinander vereinbart werden können oder weil Unternehmen Büroflächen als Kostensparpotenzial erkannt haben. Unternehmen werden daher ihren Mitarbeitern hybride Workplace-Services zur Verfügung stellen – und dabei das flexible Arbeiten im Home Office, im Office oder an anderen Orten so ermöglichen, dass eine hohe User Experience vorhanden ist. Infolge dieses Trends werden die IT-Sicherheitsarchitekturen neu aufgesetzt und für den Schutz vor Hacker-Attacken, beispielsweise über Phishing Mails, wird mehr IT-Budget bereitgestellt.
Auswirkungen auf den IT-Dienstleistungsmarkt
Investitionspotenzial für die Zukunft hat in diesem Bereich die weitere Umstellung von Businessanwendungen (CRM, ERP, Office) auf Software as a Service, ebenso wie der Aufbau einer cloudfähigen Collaboration- und IT-Infrastruktur, die verteiltes Arbeiten und den mobilen Zugriff auf Businessanwendungen ermöglicht. Aber auch Security Operation Center (SOCs) als zentrale Funktion für die Überwachung und den Schutz der IoT, OT- und IT-Infrastrukturen vor Hackern wird ein großes Thema sein. Dabei geht es sowohl um organisatorische Aspekte als auch um regelmäßiges Training und Sensibilisieren der Mitarbeiter gegenüber Hackerangriffen (Phishing Kampagnen). Infolge der zunehmender Verlagerung der IT-Infrastruktur sowie der IT-Anwendungen in die Cloud sowie der hohen Kompetenz von Hackern werden SOCs in Zukunft deutlich häufiger in die Verantwortung von spezialisierten IT-Dienstleistern übergeben.
2021 werden daher deutlich mehr Outsourcing- und Managed-Service-Deals erwartet, bei denen die IT-Infrastrukturen konsolidiert, standardisiert, modernisiert und in die Cloud verlagert werden, um dem Business und der IT die notwendige Grundlage für die Umsetzung von Digitalisierungsstrategien zu geben sowie um die gestiegenen Security-Anforderungen zu erfüllen. Von dieser Entwicklung werden auf der einen Seite die großen internationalen IT-Dienstleistungskonzerne profitieren, weil sie durch ihre globalen Delivery-Center und der Vielzahl und Breite an IT-Experten in der Lage sind, große und internationale IT-Transformationsprojekte umzusetzen und die Verantwortung für deren Betrieb zu übernehmen. So lagerte der MDax-Konzern Lanxess Mitte 2020 die Verantwortung für seine globalen Workplace Services an den IT-Dienstleister Infosys aus und auch die Modernisierung und Weiterentwicklung der IT-Infrastruktur und der Workplace Services im Sinne von User Experience, Flexibilität und Skalierbarkeit gehörten zum Deal.
Auf der anderen Seite profitieren die großen Systemhäuser wie Bechtle oder Cancom und andere lokale IT-Dienstleister von dieser Entwicklung, weil viele Unternehmen es bevorzugen, die Verantwortung für den Betrieb ihrer IT-Infrastruktur an lokale Dienstleister zu vergeben.

 3. Cloud & IT-Modernisierung

Das dritte „Big Thing“ 2020 war die Einsicht in den Führungsetagen vieler Unternehmen, dass die IT tatsächlich der Game Changer in einer digitalisierten Welt ist und die Digitalisierung der Prozesse in den letzten Jahren nicht hoch genug priorisiert und fokussiert angegangen worden ist. Dass Business und IT zusammenrücken und der CIO zum Business-Partner wird, ist dabei nichts Neues und – zumindest in Großunternehmen und Konzernen – schon lange Jahre gelebte Realität. Neu war 2020 die Geschwindigkeit, mit der die großen Business-Hyperscaler AWS, Google Cloud und Microsoft Azure gewachsen sind. Eine Vielzahl an Unternehmen quer durch alle Branchen nutzten die in der Cloud bereitgestellten Services, um Softwarelösungen besser und schneller zu entwickeln oder bei der Automatisierung durch Künstliche Intelligenz/Machine Learning Fortschritte zu machen. Nachdem im IT-Outsourcing- und Managed-Service-Markt in den ersten beiden Quartalen des Jahres 2020 zunächst nur wenig Bewegung war, zog ab dem dritten Quartal der Markt aber an. So gab es in der zweiten Jahreshälfte 2020 einige große IT-Transformationsdeals, bei denen – mit dem Ziel der IT-Modernisierung und der Kostenreduzierung – Teile der IT-Landschaft an IT-Dienstleister ausgelagert wurden: Deutsche Bank/Tata Consultancy Services, Metro/Wipro, Daimler/Infosys sind dabei drei prominente Beispiele für große IT-Transformationsvorhaben.
 Auswirkungen auf den IT-Dienstleistungsmarkt
Der Druck, die Business- und IT-Prozesse so zu modernisieren, dass neue digitale Geschäftsmodelle ermöglicht werden, wird 2021 noch höher sein als 2020, weil die Unternehmen sich nun in ihren Planungen auf die neue Realität einstellen. Das Management von Multi- und Hybrid-Cloud-Umgebungen wird dabei ebenso eine wichtige Anforderung an IT-Dienstleister sein, ebenso wie der Aufbau von skalierbaren und flexiblen IT-Landschaften, die veränderte Anforderungen an Business Continuity Management, Resilienz, agile Softwareentwicklung und IT-Security besser unterstützen als bisher. Ein weiterer Treiber des IT-Outsourcing- und Managed-Service-Marktes wird 2021 sein, dass sich immer mehr IT-Abteilungen auf Kernkompetenzen wie IT-Strategie, IT-Architektur und Softwareentwicklung konzentrieren werden (müssen), um mit der Geschwindigkeit der Digitalisierung Schritt zu halten. Die ebenfalls, und gleichzeitig anzugehende, IT-Modernisierung werden viele Unternehmen nicht aus eigener Kraft bewältigen können – vor allem weil die dafür notwendigen finanziellen Mittel und Inhouse-Expertise nicht im geforderten Umfang vorhanden sind.

Ausblick 2021

Infolge der eben skizzierten Entwicklung des IT-Jahres 2020 blickten im September 2020 die IT-Dienstleister bereits wieder deutlich optimistischer auf das Geschäftsjahr 2020 sowie in die Zukunft. Bereits jeder zweite durch Lünendonk befragte IT-Dienstleister beurteilt den Verlauf seines Geschäftsjahres 2020 als positiv. Zum Vergleich: Im März 2020 waren nur 7 Prozent entsprechend optimistisch eingestellt. Für das Jahr 2021 sind sogar 61 Prozent der IT-Dienstleister positiv gestimmt, was sich zum großen Teil auf die notwendigen Maßnahmen ihrer Kunden bei der Digitalisierung begründen und nachvollziehen lässt. Allerdings wird die Spreizung des IT-Marktes weiter beschleunigt: So werden diejenigen IT-Dienstleister mehr vom Digitalisierungs-Boom profitieren, die mit einem breitem Portfolio in der Lage sind, sowohl Softwarentwicklungsprojekte als auch IT-Transformationsprojekte aus einer Hand abzubilden, um den Anforderungen ihrer Kunden nach Geschwindigkeit (time-to-market), Kundenzentrierung (Agilität), Qualität (User Experience, Stabilität, Performance) und Kostendruck (Near/Offshore) zu erfüllen.
IT Digitalisierung

Foto: stock.adobe.com/tiero

Quelle: IT-Jahr 2020 und wie 2021

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